Gedämpftes Licht, das durch die Kronen der Bäume auf den feuchten Waldboden fällt. Das Rascheln der vom seichten Wind gewogenen Blätter, das Knacken der Äste unter den Füßen und das unaufhörliche Rauschen des Bachs, der sich seinen Weg durch das Tal des Waldes bahnt. Der würzige Duft von Harz, Moos und Tannennadeln. Die klare Luft, die die Lunge füllt. Das aufgeschreckte Wild, das hektisch nach Schutz im Unterholz sucht. Die kleinen aber unglaublich aromatischen Beeren, die am Wegesrand wachsen und so verführerisch aussehen, dass niemand widerstehen kann.
Ein Waldspaziergang war schon immer ein Erlebnis – und zwar für alle Sinne. Trotzdem schienen wir in den letzten Jahren ganz vergessen zu haben, dass der Forst weit mehr ist, als nur ein Wirtschaftsraum, in dem Holz für die Industrie produziert wird. Doch das ändert sich momentan gravierend. Auch und gerade im Naturpark Arnsberger Wald, der bis an das Südufer des Möhnesees heranreicht.
Shinrin Yoku – Trend aus Japan
Waldbaden heißt der neue Trend, der das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet. Denn der Wald hat direkten Einfluss auf unsere Gesundheit, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien aus aller Welt belegen. Schon der Anblick eines Waldes senkt den Stresshormonpegel um 15 Prozent. Was passiert dann erst, wenn wir uns hineinbegeben?
Genau das wird an der Dr. Becker Klinik Möhnesee derzeit erforscht. Seit Herbst 2017 bietet die Reha-Klinik ihren Patienten Gesundheitswanderungen an, die von den speziell ausgebildeten Rangern des Landesbetriebs Wald und Holz NRW im Arnsberger Wald durchgeführt werden. Was bei uns noch ganz am Anfang steht, hat in Japan schon Tradition. Das Waldbaden, das hier Shinrin Yoku heißt, gibt es sogar auf Rezept und von der Krankenkasse bezahlt. Waldbaden ist in Japan und Südkorea fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge.
Shinrin Yoku heißt wörtlich übersetzt „Baden in Waldluft“. Genau diese Waldluft ist es, die auf unseren Körper positiven Einfluss hat. Insbesondere die Nadelbäume sondern Partikel ab, die die natürlichen Killerzellen in unserem Blut vermehren und damit das Immunsystem stärken. Die sogenannten Terpene werden eingeatmet und über die Haut aufgenommen. Die Bäume nutzen die chemischen Verbindungen, die uns Menschen sogar vor Krebs schützen sollen, zur Kommunikation und Feindabwehr.
Waldbaden stärkt das Immunsystem und schützt vor Krebs
Wer einen Tag im Wald verbringt, hat sieben Tage lang deutlich mehr natürliche Killerzellen im Blut. Das hat Qing Li herausgefunden, der in Japan seit Jahren zum Thema Waldbaden forscht und als weltweite Koryphäe auf diesem Gebiet gilt. Der oberste der Waldbademeister quasi. Das japanische Landwirtschaftsministerium hat schon Anfang der 1980er-Jahre eine Millionensumme für ein wissenschaftlich fundiertes Forschungsprogramm in die Hand genommen, das die medizinische Wirkung des Waldbadens nachgewiesen hat. Seitdem wird unaufhörlich weiter geforscht.
Seit Herbst 2017 auch am Möhnesee. Dass ein Waldbad den Blutdruck, das Stresshormon Cortisol sowie den Puls senkt, das vegetative Nervensystem beruhigt, die Lunge weitet und die Schlafqualität steigert, ist längst bewiesen. Auch dass das Hormon DHEA verstärkt ausgeschüttet wird, welches das Herz stärkt und die Arterien messbar elastischer macht. Bei den Evaluationen am Möhnesee geht es vielmehr darum herauszufinden, ob Buchen, Eichen und Kiefern denselben Effekt haben, wie die in Asien heimischen Baumarten. Aber auch wie lange ein Waldaufenthalt dauern sollte, um medizinisch ideal zu wirken, wird noch erforscht.
Ranger laden zum Waldbaden ein
Nachdem zunächst nur Patienten der Möhneseeklinik in den Genuss einer Gesundheitswanderung mit den Rangern gekommen sind, werden nun auch offene Führungen für jedermann angeboten. Der rund sieben Kilometer lange Rundweg durch den Wald dauert drei bis vier Stunden. Selbst regelmäßige Waldbesucher erleben den Forst bei den Gesundheitswanderungen von einer ganz neunen Perspektive. Bewusst leiten einen die Ranger auch mal weg von den Wegen, hinein ins Unterholz, wo der Boden wie eine Matratze federt. Gemeinsam umarmt die Gruppe einen gewaltigen Eichenstamm, den niemand hätte allein umfassen können. Dabei spürt man die direkte Verbindung zur Natur und die Kraft, die einem diese verleihen kann.
Auf einem weichen Bett aus Moos genießen die Teilnehmer die himmlische Ruhe und betrachten die auslandenden Baumkronen aus der Perspektive der Käfer, die am Waldboden rumkreuchen. Der Höhepunkt ist wahrscheinlich das Fußbad in der Heve, die sich durch das Tal des Arnsberger Waldes schlängelt und den Möhnesee speist. Eiskaltes, glasklares Wasser umspült die nackten Füße. Ein so simples wie schönes Erlebnis, bei dem man sich unweigerlich fragt, warum man eigentlich nicht öfter so gnadenlos verrückt ist und einfach mal die Wanderschuhe auszieht, um in den Bach zu steigen.
Die Natur als Heimat des Menschen
Beim Waldbaden wird deutlich, dass die Natur das evolutionäre Zuhause des Menschen ist. Seit 250.000 Jahren sind wir auf der Erde, aber erst vor 300 bis 400 Jahren haben wir uns Stück für Stück aus der Natur zurückgezogen, um in mehr oder weniger wetterfesten Behausungen zu leben. Tief in uns drin, ist der Wald aber noch immer als Heimat und damit auch als Sehnsuchtsort verwurzelt.
Das Schöne am Waldbaden ist, dass die für manche überwältigende Naturerfahrung weder etwas kostet, noch besonders anstrengend sein muss. Um von der Aromatherapie des Waldes zu profitieren, genügt ein gemütlicher Spaziergang. Schon nach einer Stunde im Wald stellt sich in uns Tiefenentspannung ein. Egal, ob man straff wandert, oder auf einem alten Baumstupf sitzend den Blick schweifen lässt. Am besten man hält es einfach wie Goethe: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.“
Waldbaden mit den Rangern
Die Ranger von Wald und Holz NRW bieten auch für Einzelpersonen offene Führungen zum Thema Shinrin Yoku an. Die aktuellen Termine, Preise sowie Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf dieser Internetseite. Gruppen können zudem individuelle Termine vereinbaren. Die Führungen starten in Möhnesee-Neuhaus.